Wie wählt man das richtige Kajak für sich aus? Diese Frage zu beantworten ist vergleichsweise schwer bei der Menge an Booten, die sich aktuell auf dem Neu- und Gebrauchtboot Markt befinden und dann gibt es ja noch die vielen Risse, die man bauen könnte. Also wie anfangen?
Ein Forum wie z.B. das Seekajakforum fragen? Eher nicht. Nicht, dass das Forum schlecht wäre aber eine sinnvolle Antwort gibt es wohl kaum. Man läuft in Foren oft Gefahr, eine hitzige Diskussion loszutreten. Konkrete Fragen über ein bestimmtes Boot sind aber oft gut zu stellen… . Ich habe auch kein Patentrezept für das Vorgehen, aber vielleicht reichen ja die folgenden Gedanken und Fragen aus, um sich eine konkrete Vorstellung für das neue Boot zu definieren.
Welche Prioritäten haben Sie in Bezug auf Ihr neues Kajak? Ein Liste der Anforderungen wäre also sicherlich hilfreich. So erreicht man, dass das Boot einer Definition genügt und man mehrere Boote vergleichen kann ohne das einem der Verkäufer ein Boot verkauft, das Optionen enthält die man nicht braucht.
Hier die Fragen:
- Wie steht es um Ihre aktuellen Paddel-Fähigkeiten?
Sind Sie Paddel-Novize oder Paddel-Experte? Oder sind sie Paddler, aber schon ein wenig aus der Übung und wollen wieder einsteigen? Wo fühlen Sie sich am wohlesten? Auf dem “Ententeich” also bei Glattwasserbedingungen, auf langen Touren, im Wildwasser, in der Brandung beim Surf oder bei allem zusammen? Wie stehts mit dem Wetter? Gehen Sie auch raus, wenn es Regnet oder Stürmt? Oder nur wenn Sie müssen? - Wo wollen Sie mit Ihren Paddelfähigkeiten in 2 Jahren und in 5 Jahren sein?
Viele Boote die gut aussehen sind von Rennbooten abgeleitet – lang – schmal – Rundspant – und damit auch anspruchsvoll zu fahren. Wenn Sie schnelle Reaktionen haben, gute Reflexe und die Rolle sicher beherrschen, dann ist so ein Boot sicherlich eine attraktive Wahl. Wenn Sie nicht über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen, dann wird dieses Boot zur Quelle von Frustration. Man kann ein Boot bewusst so wählen, das es die eigenen Fähigkeiten fordert und sich damit weiterentwickeln aber der Unterschied sollte realistisch bleiben. Wenn Sie richtig “heiss” auf ein Boot sind und sich bewusst sind, dass Sie eine grosse Herausfoderung annehmen – dann viel Spass und viel Erfolg. - Wo liegt das geplante Einsatzgebiet des Bootes?
Eine der wesentlichen Fragen. Wenn Sie nur auf dem nächsten See paddeln wollen brauchen Sie ein anderes Boot als beim Küstenwandern oder Seekajaken. Wenn Sie bei jedem Wetter – auch im Winter paddeln wollen sind die Anfoderungen ebenfalls anders. Oder paddeln sie auf einem Fluss bei permanenter Stömung? Die Grenzen zwischen den Einsatzgebieten und ihren Anfoderungen sind fliessend. Sie sollten sich im Boot aber immer sicher und gut fühlen – den die Situation kann schnell ändern und Sie kommen evtl. schnell an Ihre Grenzen. - Wieviel wiegen Sie und wie gross sind sie?
Das Kajak hat einen gewissen Auftrieb bei einem bestimmten Tiefgang. Der Konstrukteur hat das Boot also auf diese Parameter hin optimiert. Nehmen wir an, dass das Boot bei einer Zuladung von 120kg einen Tiefang von 11cm besitzt. Wenn sie “nur” 65kg wiegen, werden sie den Design-Tiefgang nicht erreichen und das Boot taucht nicht so tief ein. Damit erreichen Sie auch nicht die Wasserlinienlänge und damit auch nicht die entsprechende Geschwindigkeit. Sie müssen also entweder mit Ballast paddeln oder mit den Nachteilen leben. Es kann auch sein, dass sich die Charakteristik des Kajaks in Bezug auf die Stabilität stark verändern.
Ist Ihr Ziel aber mit dem Boot auf lange Touren zu gehen, dann haben sie 55kg Zuladung! Was vermutlich sehr viel Gepäck zulässt. Ihr Boot passt dann optimal wenn Sie unterwegs sind. - Welche Prioritäten haben folgende Punkte für Sie?
Bootskauf ist Emotionssache und das ist auch gut so. Leider stehen uns oft die Emotionen im Weg, wenn es um die folgenden Punkte geht.
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- Aussehen des Bootes
“Form follows function” – Dieser Spruch gilt auch für Kajaks. Nur manchmal sehen die Boote, die für einen bestimmten Einsatzzweck passen nicht so cool aus, wie z.B. ein Rennboot. Es ist viel schöner auf ein gut aussehendes Boot angesprochen zu werden als auf ein hässliches. Innere Werte hin oder her. Daher tendiert man of dazu die Schönheit zu kaufen auch wenn man sie nicht fahren kann. - Handhabung
Beweglichkeit auf dem Wasser und natürlich die Stabilität sind hier gemeint. Ein Kajak das auf engen Gewässern gepaddelt werden soll, muss gut Kontrollierbar sein und umgekehrt sollte es auf dem offenen Meer einen guten Gradeauslauf bei optimaler Manäverierfähigkeit haben. Die Stabilität gegen das Kentern ist ebenfalls wichtig und bei Tourenkajaks kann auch die Seitenwindanfälligkeit sehr wichtig sein. - Seetüchtigkeit
Handhabung in extremen Bedingungen. Ein Boot mit gut platzierten Beschlägen und Luken lässt den Paddler in starkem Wellengang deutlich trockener Paddeln als ein Boot, bei dem die Beschläge jede Welle in das Gesicht des Paddlers umlenken. Die Überhänge sollten auch nicht zu gross sein um bei starkem Wind nicht wie ein Segel zu wirken. Bei einem Seekajak sollte der Unterschied zwischen Vorder- und Hinterschiffsform nicht zu gross sein, damit sich das Boot ggf. auch Rückwärts durch die Brandung bewegen lässt. - Geschwindigkeit
Die meisten Hersteller geben die sogenannte Rumpfgeschwindigkeit an. Das ist die maximal erreichbare Geschwindigkeit bei Verdrängungsfahrt, nicht beim Surf. Diese Geschwindigkeit verbraucht auch am meisten Energie und man wird sie faktisch nie erreichen oder über längere Zeit halten können.
Realistisch sind wahrscheinlich 60-70% der angegebenen Geschwindigkeit. Zu allem Überfluss hängt die Geschwindkeit noch von der Wasserlinienlänge ab. Man sagt auch “Länge Läuft”. Wieviel wiegen Sie doch gleich? - Gewicht
Das Gewicht spiel an Land und im Wasser eine Rolle. Wenn Sie hautpsächlich alleine Unterwegs sind, kann es nach einem langen Paddeltag schon problematisch sein, die Hände am Lenkrad des Autos zu halten. Wenn das Boot dann ein paar Kilogramm zu viel wiegt, bekommen Sie es unter Umständen gar nicht alleine auf das Autodach.
Die Nachteile im Wasser sind nicht so gravierend, aber ein leichtes Boot lässt sich besser kontrollieren, schneller steuern und reagiert auch schneller auf Bewegungen. Es lässt sich leichter Beschleunigen und surft auch leichter. Allerdings läuft es auch nicht so lange ohne einen Paddelschlag nach.
Solopaddler sollten also eher auf leichte Boote achten und das evtl. im Budget berücksichtigen. - Komfort
Der Punkt ist subjektiv und auch beinahe nicht Kompromissfähig. Was nützt das leichteste und beste Boot, wenn sie nach kurzer Zeit Krämpfe im Becken haben oder die Po-Muskelatur einschläft weil der Sitz schlecht passt? Wenn der Sitz nicht auf Sie anpassbar ist, kann das bedeuten, dass Sie evtl. nach einer Kenterung aussteigen müssen, weil sie keinen Halt um Boot zum hochrollen haben. Das Boot muss mit dem Cockpit auf Sie passen wie ein guter Schuh.
Features wie ein Knie-Rohr oder eine Steueranlage kann man nachrüsten aber ein zu enges oder zu weites Cockpit wahrscheinlich nicht. - Verarbeitung
Die Verarbeitung ist auch so ein Kriterium, das einem das Leben nicht einfach macht. Das gesetzte Budget und die verfügbare Verarbeitungsqualität schliessen sich oft aus. Das heisst nicht, dass man kein gut verarbeitetes Kajak zu einem guten Preis gibt – aber vielleicht ist das Boot dann nicht mehr neu sondern gebraucht und weist eben solche Spuren auf. Das wiederum tangiert den Punkt “Aussehen”. Wichtig ist bei der Verarbeitung, dass das Boot zum einen gut ausgestattet ist (da kann man in den einschlägigen Foren gute Inputs bekommen) und die Ausstattung gut verarbeitet ist. Was heist jetzt gut verarbeitet. Wenn bei dem Boot die Halterungen für die Decksleinen “einfach so” ins Deck geschraubt sind und die Schrauben-Spitze einfach in den Innenraum ragt, dann ist die Verarbeitung sicherlich verbesserungswürdig.
Beim Einladen kann an der Schraube der Packsack hängenbleiben und aufreissen, man kann sich verletzen etc. .
Gleiches gilt bei den Durchbrüchen für Cockpit und Luken. Sind die Kanten sauber versäumt und verschliffen oder sind die Scharfkantig? Wie sieht bei Glasfaserbooten der Ausschnitt aus? Sind Faserenden erkennbar in die Wasser aufgesogen wird (Kapillarwirkung)? Sind die verwendeten Schrauben aus Edelstahl oder Messing? Sind die Muttern selbstsichernd und haben die Muttern Unterlegscheiben? Sind die Leinenenden sauber verarbeitet oder kann die Leine ausfransen? Sind Konten so gross, dass sie als Stopper wirken oder rutscht die Leine durch?
Gebrauchte Boote haben oft einen Vorteil – der Vorbesitzer hat das Boot optimiert und z.B. ein fehlendes Knierohr ergänzt.
- Aussehen des Bootes
Wenn Sie sich über diese Fragen Gedanken machen, dann haben Sie schon mal die wesentlichen Punkte in der Hand um ein gutes Boot auszuwählen. Bleibt noch anzumerken, dass Sie verschiedene Boote immer testen sollten, wann immer Ihnen das möglich ist. Oft bieten Händler solche Testmöglichkeiten an einem Wochenende an.
Schwer wird die Auswahl wenn es nur einen Plan gibt und man das Boot nicht paddeln kann. Die Planauswahl und die Auswahl einer Bauweise ist komplex und ich werde es separat behandeln!
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